Zukunftsfähige Infrastruktur durch Digitalisierung in Thüringen

„Zukunftsfähige öffentliche Infrastruktur durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz im Freistaat Thüringen sicherstellen: Bestandsaufnahme, Chancen und Herausforderungen“

Hintergrund

Die Digitalisierung von Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bietet den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Thüringen viele Chancen, stellt die Entscheidungsträger der Exekutive aber auch vor bisher nie dagewesene Herausforderungen. Die Entwicklung nutzerorientierter digitaler Prozesse ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Bereiche betrifft. Um dieser schon seit 2016 bekannten, umfangreichen und bedeutsamen Herausforderung zielorientiert zu begegnen, beantragt die Fraktion der Freien Demokraten, eine Enquete-Kommission (EK) durch einen Beschluss des Thüringer Landtags einzusetzen.

Die EK soll eine Bestandsaufnahme vornehmen und die bislang ergriffenen Maßnahmen zur Konzeption und Umsetzung einer Digitalisierungs- und KI-Strategie in Thüringen analysieren. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen sodann hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft bewertet und Handlungsempfehlungen entwickelt werden, um das wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Potenzial von digitalen Prozessen und KI für den Freistaat Thüringen zu heben. Die im Enquete-Antrag aufgeworfenen Fragen sollen den Analysegegenstand konkretisieren, ohne die Kommission in ihrer Arbeitsweise zu binden oder einzuschränken.

Umrisse des Freistaates Thüringen

Aufgaben der Enquete-Kommission

  1. Die EK soll im Rahmen einer Bestandsaufnahme die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Verwirklichung der digitalen Transformation und zur Nutzung Künstlicher Intelligenz in den Bereichen Bildung, Verwaltung und öffentlicher Infrastruktur unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft analysieren.
  2. Neben den Auswirkungen der digitalen Transformation und des Einsatzes von KI-Anwendungen auf die Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen, insbesondere in Bezug auf ihre Teilhabe, Qualifizierung und Mitbestimmung, untersucht die EK im Besonderen die Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung und des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in Thüringen. Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu beantworten, welche Maßnahmen und Strategien notwendig sind, um die Medienkompetenz der Menschen im Freistaat zu schärfen und ihnen zu ermöglichen, mit der digitalen Entwicklung Schritt zu halten.
  3. Eine weitere zentrale Säule ist die Bewertung der ergriffenen Maßnahmen im Bereich der Schul- und Hochschulbildung. Die Anpassung der Lehr- und Lernmethoden, der organisatorischen, personellen und technischen Konzepte an die Herausforderungen der Digitalisierung gehören zu den größten politischen Aufgaben unserer Zeit. Die Arbeit der EK soll dabei einen grundlegenden Ansatz verfolgen und zunächst die der Digitalisierung der Schul- und Hochschulbildung zugrunde liegenden Strategien ermitteln und auf ihre Konsistenz mit den Fördermöglichkeiten aus dem „Digitalpakt Schule“ ebenso analysieren wie den Ursprung etwaiger Hindernisse beim Abruf der Fördermittel. In diesem Zusammenhang ist neben dem Konzept des Freistaats Thüringen für Betrieb, Wartung und IT-Support der geförderten Infrastrukturen und Geräte sowie laufende Kosten der Verwaltung (Personalkosten, Sachkosten) auch die Ausgestaltung der Aus-, Weiter- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Bereich der in Schulen anzuwendenden Informationstechnik und Medienkompetenz sowie die vorhandene Hard- und Softwareausstattung auf den Prüfstand zu stellen. Mit Blick auf den Einsatz digitaler Bildungsangebote soll die EK einen möglichen Ausbau dieser Angebote unter Berücksichtigung von Zulassungsverfahren für private Anbieter sowie die entsprechende Finanzierung und die Berücksichtigung von Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks prüfen.
    Im Rahmen ihrer Bestandsaufnahme berücksichtigt die EK ferner die im Jahr 2018 im Rahmen des vom Thüringer Bildungsministerium in Auftrag gegebenen Wolling-Gutachtens (TU Ilmenau) festgestellten Defizite im fächerübergreifend zu unterrichtenden Fach Medienkunde. Dabei erhebt sie die vom Land ergriffenen Maßnahmen und bewertet in diesem Zusammenhang das Potenzial der Einführung eines verpflichtenden Schulfachs Informatik.
  4. Ausgangspunkt der Bewertung des Stands der digitalen Transformation und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Thüringer Infrastruktur sind die Höhe der vom Land bereitgestellten Fördermittel für die Landeseinrichtungen und Kommunen unter Berücksichtigung der bislang tatsächlich in Anspruch genommenen Mittel und der Hindernisse, die einem Abruf entgegenstehen. Auf dieser Grundlage prüft die EK vorhandene Alternativen, um die Landeseinrichtungen und Kommunen bei der notwendigen organisationalen Transformation zu unterstützen.
    Für eine umfassende Bestandsaufnahme des Umsetzungserfolgs der digitalen Transformation und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Thüringer Infrastruktur ist es zudem erforderlich, die Auswirkungen der Verteilung der Zuständigkeiten auf mehrere Ministerien im Bereich der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz zu bewerten. Hieraus könnten sich wiederum Rückschlüsse für die Identifizierung und Bewertung der technischen und organisatorischen Strategien in den Ministerien zur Umsetzung der Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes (bis 2022) und der Single-Digital-Gateway-Verordnung (2020) ergeben. In diesem Zusammenhang bewertet die EK die möglicherweise definierten Meilensteine und ihren Umsetzungsstand sowie die angestoßenen fachgesetzlichen Novellen, damit die 200 wichtigsten Verwaltungsleistungen für Bürger und Unternehmen medienbruchfrei digitalisiert werden können. Um das Potenzial der digitalen Möglichkeiten und der KI entsprechend einzuordnen, erhebt die EK zudem die Informations- und Erfüllungskosten, die Unternehmen und Bürgern bei der Inanspruchnahme von Verwaltungsdienstleistungen vor und nach der Digitalisierung entstehen.
  5. Aufbauend auf den Ergebnissen der Bestandsaufnahme entwickelt die EK Handlungsempfehlungen, um das wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Potenzial von digitalen Prozessen und KI für den Freistaat Thüringen zu heben. Die Handlungsempfehlungen der EK sollen geeignet sein, um die organisatorischen, dienstrechtlichen und technischen Grundlagen in der Landes- und Kommunalverwaltung zu legen, um die Angebote der Daseinsvorsorge auch in erneuten Pandemiewellen aufrechterhalten und ausbauen zu können. Um einen Wandel in der Verwaltungskultur auf kommunaler Ebene und des Landes zu erzeugen und den Herausforderungen der Digitalisierung angemessen zu begegnen, entwickelt und prüft die EK verschiedenen Handlungsoptionen. Dazu gehören neben einem Wandel im Personalmarketing des öffentlichen Dienstes auch die Einrichtung eines Digitalministeriums zur Koordinierung und Umsetzung der Transformationsprozesse und die Evaluierung eines Digitalpakts zwischen Land und Kommunen, um das Potenzial öffentlicher Verwaltungsleistungen auszuschöpfen.
  6. Um die durch den Zukunftspakt der Bundesregierung und die Bereitstellung von fünf Milliarden Euro vermittelte Aufbruchsstimmung bei der Umsetzung der digitalen Transformation und der Förderung des Einsatzes von KI zu nutzen, prüft die EK die Möglichkeit, in Jena – vor dem Hintergrund des Knowhow an den Universitäten Ilmenau und Jena sowie des Technologie Clusters Jena – ein KI-Kompetenzzentrum einzurichten, das eng mit der regionalen Wirtschaft in Anwendungshubs verzahnt werden und die Wettbewerbsfähigkeit Thüringens bei KI-Anwendungen auf der Grundlage von BigData im Bundes- und europäischen Vergleich heben könnte. Die EK bewertet zudem, ob der Freistaat Thüringen durch ein KI-Kompetenzzentrum mit exzellenter Forschung und Lehre, attraktiven Rahmenbedingungen und modernster KI- und Rechnerinfrastruktur eine Vorreiterrolle einnehmen und damit die Attraktivität für Spitzenforscher und Nachwuchstalente am Standort Thüringen verbessern könnte.
  7. Im Bereich der Gesundheitsvorsorge soll die EK potenzielle digitalen Hilfsmittel identifizieren, die eingesetzt werden können, um die Koordinierung zwischen Gesundheitsdienstleistern in der primären Gesundheitsversorgung und der stationären Pflege zu verbessern.
  8. In der Bildungspolitik soll die EK konkrete Maßnahmen im Bereich der informationstechnischen Ausbildung erarbeiten, um das Thüringer Bildungssystem zukunfts- und krisenfest zu gestalten. Zugleich soll die EK strategische Wege aufzeigen, um in stärkerem Umfang als bislang Mittel aus dem Digitalpakt abzurufen.
  9. Weiterhin soll die EK Vorschläge unterbreiten, wie der Freistaat Thüringen, das wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Potenzial von Digitalisierung und KI-Einsatz im Bereich der öffentlichen Infrastruktur heben kann. Dabei geht es neben der Identifizierung möglicher Einsatzgebiete von moderner und intelligenter Informations- und Kommunikationstechnologie in urbanen Regionen auch um die Bewertung des Potenzials von Smart-City-Projekten in Thüringen. Das schließt die Konzeption von Rahmenbedingungen zur finanziellen Förderung entsprechender Projekte ebenso ein, wie die Verknüpfung von Interessenvertretern aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Gesellschaft. Um das Potenzial des ländlichen Raumes in Thüringen zu heben, soll die EK zudem prüfen, ob ausgewählte ländliche Gebiete zu Modellregionen für autonomes Fahren erklärt werden und gemeinsam mit Thüringer Unternehmen, Hochschulen und Kommunen zukunftsweisende Technologien erproben können.
  10. Um die digitale Transformation und den Einsatz von KI rechtssicher zu gestalten, soll die EK ethische Leitlinien für den Einsatz KI im Freistaat Thüringen entwickeln und prüfen, ob und wie die Kompetenz des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in die Abläufe zur Umsetzung von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz integriert werden kann.